Am 4. Februar 1943 wurden sieben Mitglieder der Moerser Familie Leiss im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet. Die Stadt Moers und der Verein „Erinnern für die Zukunft“ haben das zum Anlass genommen, auf dem Gelände des ehemaligen KZ eine Gedenkstele zu errichten. Am vergangenen Samstag, auf den Tag genau 80 Jahre danach, hat eine über 40-köpfige Delegation aus Moers, darunter zwei Schülergruppen und Bürgermeister Christoph Fleischhauer, die Stele feierlich eingeweiht.
Die Stele, welche nunmehr am Ort des Verbrechens an das Schicksal der Familie erinnert, trägt den Titel „Aus der Welt gerissen“. Der Vorsitzende von “Erinnern für die Zukunft”, Ulrich Hecker, dankte der Designerin Caroline Skroch für den Entwurf und dem Kunstschmied Dietrich Weber für die Gestaltung und Aufstellung.
Die Gedenkstättenfahrt nach Sachsenhausen war eine Kooperation der Volkshochschule Moers Kamp-Lintfort und des Vereins „Erinnern für die Zukunft“. Mit Unterstützung des Partnerschaftsvereins Ramla-Moers und des Vereins „Demokratie und Toleranz leben“ konnten Schülerinnen und Schüler des Grafschafter Gymnasiums und der Geschwister-Scholl-Gesamtschule an der Gedenkstättenfahrt zu besonders günstigen Konditionen teilnehmen.
An der Gedenkfeier zur Einweihung der Stele nahmen neben der Reisegruppe vom Niederrhein teil: Veronika Hager (Leiterin der Bildungsabteilung der Gedenkstätte Sachsenhausen), Prof. Günter Morsch (ehem. Leiter der Gedenkstätte, der diesen Gedenkort angeregt hatte), Dr. Katrin Grüber und Cornelia Berndt (Förderverein der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen) und Andreas Meyer (Stellv. Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees (ISK) in der Bundesrepublik Deutschland).
Ulrich Hecker begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und erinnerte daran, dass neben den Ermordeten über 20 Moerser Bürger in Sachsenhausen gefangen waren und den Schrecken an diesem immer noch furchterregenden Ort ausgeliefert waren. Auch sie waren „aus der Welt gerissen“, aus ihrer Menschenwürde und ihrem Leben. Veronika Hager unterstrich die Bedeutung dieses Brückenschlags vom Niederrhein zur Gedenkstätte und auch zwischen den Generationen, die – alt wie jung – sich einig versammelt hätten in der Erinnerung und der Mahnung, dass solche Verbrechen sich nie wiederholen dürfen.
„Das Schicksal der Familie Leiss, ihre ungelebten Träume, sind eine Ermahnung daran, die Menschenrechte immer zu schützen“, so eine sichtlich bewegte Schülerin der Geschwister-Scholl-Gesamtschule während ihres Beitrags bei der Einweihung.
Eine Schülerin des Grafschafter Gymnasiums: „Heute ist es wichtig, der Vergangenheit Beachtung zu schenken, um solchen Verbrechen in der Zukunft entgegenzuwirken. Dafür stehen wir ein und dafür wollen wir viele Menschen erreichen.“
Maren Schmidt, frühere aktive Kommunalpolitikerin und heute EfZ-Vorstandsmitglied, die intensiv Leben und Schicksal der Familie Leiss erforscht hat, zog die Linie von den ersten Gedenkveranstaltungen für die Ermordeten durch die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)“ gleich nach dem Krieg, über die Benennung einer Straße im Stadtteil Meerbeck, die Errichtung eines Mahnmals vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie bis zu dieser Gedenkfeier.
In seiner mit “Liebe Mit-Menschen” beginnenden Ansprache richtete Bürgermeister Fleischhauer den Appell an die Anwesenden, niemals und unter keinen Umständen ihre Mitmenschlichkeit zu vergessen. Nachdrücklich formulierte der Bürgermeister seinen Wunsch, Fahrten nach Sachsenhausen und den Besuch dieses neu geschaffenen Erinnerungsortes für die Moerser Bürgerschaft und Schülerinnen und Schüler fortzusetzen und zu verstetigen: „Historisches Faktenwissen ist wichtig, um Geschichte zu begreifen. Hier aber ist ein Ort, an dem Geschichte Menschen ergreift.“
Ein ganz herzliches Dankeschön sagen wir allen Spenderinnen und Spendern für diese Gedenkstele, für die wir ca. 10.500 € aufzuwenden hatten. Wir erhielten:
5000.– € von der regionalen Kulturförderung des Landschaftsverbands Rheinland
1000.– € vom Ev. Kirchenkreis Moers
1000.– € von der Ev. Kirchengemeinde Meerbeck-Hochstraß
3.431.–€ von 38 privaten Spendern, die jeweils zwischen 20 und 500 € gespendet haben
WIR SAGEN DANKE!
Titelbild:
Die Schülergruppe des Grafschafter Gymnasiums erinnert mit Porträts an die ermordeten Mitglieder der Familie Leiss (vorne links Bürgermeister Fleischhauer)
Reflexion zur Gedenkstättenfahrt in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg von Schülerinnen des Grafschafter Gymnasiums:
Lara Schadow, Q2
Wir hatten dank dem Verein Erinnern für die Zukunft und der VHS die Chance, an einer einzigartigen Fahrt nach Oranienburg teilzunehmen. Wir besuchten die Gedenkstätte für Opfer der Euthanasie in Brandenburg sowie die Gedenkstätte Sachsenhausen, wo für die Moerser Bergmannsfamilie, Familie Leiss, eine Stele eingeweiht wurde.
Für mich war es der erste Besuch in solchen Gedenkstätten und die Eindrücke, die ich sammeln durfte, werde ich für immer in Erinnerung behalten.
Das Leid, welches die Menschen früher erlebt haben müssen, ist immer noch spürbar und das Gefühl wirklich dort zu sein, wo sich all diese schrecklichen Schicksale abgespielt hatten, hat mir erneut vor Augen geführt, wie wichtig es ist, der Vergangenheit Beachtung zu schenken und solchen unwiderruflichen Grausamkeiten in der Zukunft entgegen zu wirken.
Auch die Gruppe, in der wir gefahren sind, hat viel zu dem beigetragen, was ich von dieser Fahrt mitnehme.
Sowohl der Austausch mit anderen Schülerinnen und Schülern als auch mit den lieben Seniorinnen und Senioren hat mir verdeutlicht, dass wir vielleicht nicht dafür verantwortlich sind, was damals passiert ist, aber es liegt in unserer Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert. Ohne diese tolle Gruppe und die wirklich interessanten und wichtigen Gespräche, wäre diese Fahrt nur halb so schön gewesen, und, was noch viel wichtiger ist, ich hätte nicht Ansatzweise so viel davon mitnehmen können.
Ich bin bis heute erstaunt und glücklich darüber, dass aus einem vermeintlich so kleinen Schulprojekt eine so tolle Kooperation geworden ist und ich wünsche mir für alle Schüler und Schülerinnen nach uns, dass sie ebenfalls die Gelegenheit zu so einer Kooperation bekommen und diese auch nutzen. Denn nur durch die Anteilnahme zukünftiger Generationen kann „Erinnern für die Zukunft“ gelingen.
Esther Bilonda Kabamba Muindila, Q2
Meine Fahrt nach Sachsenhausen wird mir lange in den Kopf bleiben. Die Zusammenarbeit mit den Senioren war sehr schön und sehr interessant. Ich hatte sehr schöne Begegnungen mit den Menschen dort, sowohl während der Fahrt als auch bei dem Aufenthalt in Oranienburg. Die Sachen, die den Menschen dort in Sachsenhausen widerfahren sind, werden nicht in Vergessenheit geraten.
Beyoncé Tabenyang, Q2
Ich fand, dass der Ausflug nach Oranienburg bzw. die Besuche der Gedenkstätte für Euthanasie und danach die Gedenkstätte in Sachsenhausen mir einen größeren und klareren Einblick in die Zeit des Nationalsozialismus gegeben haben und mich auf eine emotionale Lage brachten, die ich noch nie davor zu spüren bekam.
Dadurch fand ich die Reise dorthin sehr emotional, aber nicht unbedingt im negativen Sinn, sondern vielmehr habe ich mich ein bisschen mehr angekommen gefühlt, weil ich die Chance hatte, mit vielen netten Menschen gemeinsam ein dunkles Kapitel aus alten Zeiten aufzugreifen, gemeinsam in unseren Köpfen und Herzen um dies alles an weitere Generationen weiter zu geben.
Mir haben die Fahrten auch großen Spaß gemacht und es wäre schön, wenn solche wichtigen Aktionen auch in Zukunft weitergeführt werden 🙂